Dreiländereck
UV Directprint on Neoprene
212 × 270 cm
2021
Installation view Artachment Basel
This photograph was taken at the 'tri-regio' border at the port in Basel Kleinhüningen, where the three countries France, Germany and Switzerland meet on the middle of the river Rhein. Three imaginary lines mark the flowing body of water, not easily separable, into three different territories, nations and histories.
The image shows the rays of the spring sun reflected on the surface of the dark water.
This floor work is site-specific and is located in the customs house of the port of Basel, built in 1944, where to this day ship cargo is transferred to rail transport.
Its construction dates back to a time when European frontiers determined life and death. The transit of goods through Switzerland was of essential importance, especially for the Axis powers.
A few years earlier - in the same year that the rubber product neoprene came onto the market - my grandmother Bianca and her brother Emil fled Vienna shortly after the Anschluss of Austria. For a long time, the details of this story remained hidden from my family. The silence of a whole war generation did unfortunately not stop in our family either. Until I came across my great uncle's video testimony on Steven Spielberg's USC Shoah Foundation archive in the spring of 2021. In it, he mentions how he had to cross the Rhine River during his nighttime escape to Switzerland in April 1938. For the rest of his life, he would never forget how cold the water felt.
DE
1985 in Basel geboren, gehört Bianca Pedrina einer Generation an, die – mindestens bis zur Pandemie – den Übertritt in die Nachbarländer immer offen und frei erlebt hatte. Das Baujahr des kleinen Kunstpavillons fällt 1944 in den Zweiten Weltkrieg – ein Anlass mehr, sich hier aufs Thema und Motiv der Grenze einzulassen.
Mitten im Rhein verläuft diese hier und berührt in wenigen hundert Metern Entfernung deutsches und französisches Terrain. Wem steht das Recht zur Grenzziehung zu und warum? Wo bestimmt der Fluss den Lauf der Grenze und wo Konzerne, Militär, Fremdenpolizei?
Am gegenüberliegenden, französischen Ufer geht der Fuss- und Fahrradweg entlang einer alten Lindan-Deponie. Novartis als aktuelle Eigentümerin hat den Boden mit den Pestizid-Rückständen, die sich bis in die 1970er-Jahre hier angesammelt hatten, ausgehoben.
Der Chemiekonzern stellt nach Jahrzehnten eines fest verschlossenen Campus die langsame Öffnung des Firmenareals in Aussicht. Noch sind die Barrieren um das privatisierte Gelände markant. Am Maschendrahtzaun fand Bianca Pedrina das Bild einer verschlossenen Tür. Das mehrschichtige, auf eine Zeltplache gedruckte Grenzporträt zitiert sie neu: An einem hohen Zaun befestigt, ist das Bild im Bild noch einmal auf PVC gedruckt. Der sommerlich anmutende Sonnenschutz widerspricht am weiss getünchten Häuschen dem Wunsch nach Einlass, Bewegungs- und Barrierefreiheit. Eine Werbefläche ist zum kruden Halt entleert und versperrt den Blick zur Brache. Im Innern leiht eine weitere Membran ungeschriebenen Grenzgeschichten einen Teppich an Assoziationen. Ihre Aufnahme von Reflexionen des Sonnenlichts auf der Wasseroberfläche hat Bianca Pedrina auf Neopren gedruckt. Jetzt liegt die Isolationsschicht begehbar im Raum. Die zweite Haut des Bodens deutet den Stoff von Schwimm- und Tauchanzügen um, lässt im schwarzen Puffer unsere Schutzbedürftigkeit, die Kälte des Flusswassers und das Sehnsuchtsbild eines Sternenhimmels ineinander fallen.
Gitter, Zäune, Schranken: Je nach Standort und Zeitpunkt meinen sie Gefangenschaft oder nehmen uns in Schutz. Von Gefährdung, Verbot und Überwachung am Rhein weiss Bianca Pedrina, Enkelin von Kriegsgeflüchteten, nur indirekt. Illegale Ankünfte, Grenzwachtposten, Landesverweise waren lange im Schweigen gestockt und gerinnen jetzt, andeutungsweise nur, im fotografischen Bild. Kunststoff hat wortlos Vergangenes in sich aufgesogen. Es spielt der Wind mit der Erinnerung an provisorische Behausungen. Im Verweis-System des Oberflächlichen spiegeln sich Träume und Traumata.
Isabel Zürcher